jahnna jahnna Zahl 3, Tusche – Die Liebe ist zweierlei zugleich

Die Liebe ist zweierlei zugleich. Es ist das einzige Wort für ein inneres Erleben, das ich kenne, das zwei voneinander unabhängige Bedeutungen hat. Auf der einen Seite ist die Liebe – wenn ich sage: «Ich bin in Liebe» – das eigene offene Herz. Auf der anderen Seite kann es auch bedeuten, dass das Leben sein magisches Band um mich und einen anderen Menschen gelegt hat. Auch das kann heißen: «Ich bin in Liebe.» Beides ist voneinander unabhängig. Wenn das Leben einmal sein Band um mich und einen anderen Menschen gelegt hat, ist dieses für eine lange Zeit von Dauer. Es geht nicht mal weg und kommt dann wieder, sondern ist verbunden. In dieser Zeit öffnet und engt sich immer wieder mein eigenes Herz. Es ist ganz lebendig, so wie sich meine Stimmung hebt und senkt, so öffnet und schließt sich auch mein Herz. Es ist unabhängig vom Band der Liebe, denn auch wenn ich in keiner Liebesbeziehung bin, öffnet und schließt sich mein Herz. Ich kann völlig auf mich allein gestellt sein, ohne jede Bindung. (Was kaum möglich ist, weil wir haben Kinder und Freunde und es gibt viele Bänder.) Auch ohne Liebesbeziehung kann ich hier stehen und sagen: «Ich bin in Liebe» und es ist wahr und wirklich, es ist kein Denken und kein Konzept.

Wer in den Räumen des Denkens lebt, wer vor allem sieht, hört und denkt, der kann die Liebe nicht finden in seinem eigenen Leben. Denn im Denken ist sie nicht zu finden. Die Liebe ist ein Fühlen und Spüren. Wenn ich hier stehe und sage: «Ich bin in Liebe», dann ist es wahr, weil ich es in mir selbst wahrnehme. Ich fühle die Liebe in mir, ich spüre sie in meinem System. Wenn mein Herz offen ist, dann bin ich innerlich weit. Ist mein Herz verschlossen, ist mein innerer Körper eng. Ich ende ungefähr hier, wo meine Haut ist.

Wenn mein Herz weit ist, werde ich weiter als mein physischer Körper. Du kannst es spüren, vielleicht ahnst du es ein wenig durch dieses Filmchen hindurch ;-) Wenn du vor einem Menschen stehst, und er oder sie sagt: «Ich bin in Liebe», dann kannst du spüren, ob es wahr ist, wenn du ihm oder ihr in die Augen schaust. Es geht ein Strahlen von einem Menschen aus, der in Liebe ist. Es ist eine Verbundenheit mit sich selbst, mit dem einen Selbst, das wir alle sind, mit dem Leben. Wenn ich sage: «Ich bin in Liebe», dann bin ich auch in Liebe mit dem Leben und bin ich selbst. Wenn du vor mir stehst, kannst du es spüren, weil mein Feld sich bis zu dir ausweitet. Es ist eine wahre, wahrnehmbare Berührung. (Es geht auch, dass man aus sich heraustritt und nun beim anderen ist, aber das ist etwas anderes, denn man verliert dabei den eigenen inneren Halt.) Wahre Empathie ist, wenn ich in mir ruhe und mich selbst ausweite und so den Menschen vor mir berühre. Es ist spürbar.

Es braucht ein wenig Übung, erst einmal aus dem Denken herauszutreten, dann das Fühlen zu befreien, das Fühlen von all den einengenden, willentlichen Konzepten des Denkens zu befreien. Dann wird das Fühlen bewusst und lebendig. All die Grundgefühle sind nun fühlbar: Angst, Wut, Freude, Leid, Traurigkeit. Das sind die Grundgefühle, die Färbungen unseres Gemüts.

Freude ist nicht das gleiche wie Liebe. Wenn ich in Liebe bin, wenn mein Herz offen ist, dann kann ich Freude in mir haben. Freude ist die hohe Stimmung. Ich kann meine Stimmung erhöhen und das ist das, was wir Glück nennen. Glück ist nichts anderes als das Gemisch von Freude und Liebe. Nun schaue dich in der Welt um. Du wirst viele Menschen treffen, die ihre Stimmung hoch haben, hoch halten. Zum Beispiel ist Schadenfreude wirklich eine wahre hohe Stimmung. Doch jemand, der gerade voller Schadenfreude lacht, hat nicht sein Herz offen. Denn das offene Herz ist stets eine Verbundenheit mit den anderen, eine Verbundenheit unter uns Wesen mit dem Leben selbst.

Die Stimmung kann ich willentlich höhen und senken. Ich kann sie auch tief machen. Und trotzdem kann mein Herz offen sein. Die tiefe Stimme ist eine innere Weisung, ab und zu mal wieder aus der Party der Welt herauszutreten, mich auf mich selbst zu besinnen und mich zurückzuziehen. Wenn ich das tue, ist meine Stimmung möglicherweise weiterhin tief und trotzdem ist mein Herz offen.

Das ist die eine Bedeutung des Wortes Liebe: das eigene offene Herz. Es ist etwas tief Mystisches, weil die Liebe zwar als Gefühl fühlbar ist, genauso wie Angst, Wut, Freude, Leid und Traurigkeit auch; doch wenn die Liebe im Innern aufkommt, wenn das Herz sich öffnet, dann erhellt sie quasi alle anderen Färbungen und diese lösen sich dadurch auf. Die Liebe ist dadurch ein Tor zu dem, was hinter dem Gemüt liegt.

Es ist dem, der sein Denken wach erlebt, möglich, die Stille im Denken zu erleben. Ebenso ist es möglich, dass die alltäglichen Gefühle zurücktreten und vor allem das sechste Grundgefühl vorherrscht, die Liebe. Dann wird das innere Feld licht. Der Mensch wird zum strahlenden Menschen. Die Augen strahlen, nicht nur deshalb, weil die Feuchtigkeit auf der Hornhaut zunimmt, sondern weil der Mensch im Innern eine Tür öffnet zu dem Selbst in uns, das mit allen Wesen verbunden und mit dem Leben verbunden ist.

Liebe ist zweierlei zugleich. Auf der einen Seite ist sie das eigene offene Herz. Auf der anderen Seite gibt es diese Verbindung zu einem anderen Menschen. Sie ist etwas, das ich selbst willentlich nicht bewirken kann. Nachdem du dein Fühlen befreit hast, ist es dir möglich, die Grundgefühle in dir zu erzeugen: Wut, Traurigkeit, die tiefe Stimmung, Freude, du kannst deine Stimmung höhen, du kannst sie auch senken. Das ist willentlich möglich. Das eigene Herz zu öffnen und zu schließen ist nicht immer möglich, nur im kleinem Maße und nur einem sehr weit spürig geübten Menschen. Es hat seinen Sinn, dass das Herz sich immer wieder öffnet und schließt, und dieser Sinn ist sehr tief. Von daher ist es aber trotzdem noch im Bereich des eigenen Willens möglich, im kleinen Maße. Was jenseits des Willens ist, ist das magische Band, das das Leben mitunter um zwei Menschen legt. Ich selbst kann es nicht bewirken. Denn es betrifft zwei Seelen. Zwei Seelen müssen einwilligen dafür. Ich kann auf mich selbst gestellt sein, ich kann Raum in meinem Leben haben, ich kann all meine alten Beziehung geklärt haben und allen meinen Freunden erzählen, dass ich mir eine Freundin wünsche, dass ich Platz habe in meinem Leben für eine Frau an meiner Seite. Und meine Freunde sagen: «Dann geh doch Tanzen.» Und dann gehe ich zu der Barfußdisco in dem schönen Raum am See. 150 Menschen in fließenden, weichen Kleidern. Strahlende Menschen, glückliche Menschen. 30 Männer und 120 Frauen. Ich bin dort, ich tanze durch den Raum, ich begegnen mal dieser und mal jener, ich schenke mein Lächeln, ich bekomme Lächeln zurück geschenkt. Ich spüre und erlebe und dennoch verliebe ich mich nicht. An diesem Abend, wenn ich zu mir ehrlich bin, wenn ich wirklich spüre: An diesem Abend legt das Leben kein Band um mich und einen anderen Menschen. So gehe ich am Abend wieder heim.

Dieses Band geschieht mitunter völlig unerwartet. Ich bin auf einem Mantra-Konzert in der Pause hinter dem CD-Stand und verkaufe CDs für eine befreundete Band, die gleich auftreten wird. Vor mir ist Andrang. Ich verkaufe CDs und plötzlich spüre ich, wie jemand neben mich tritt. Es ist, es wenn eine Sonne neben mir aufgehen würde. Ich wende meinen Kopf und sehe eine Frau im Kleid, mit langem wallenden Haar neben mir. Sie blickt mir in die Augen und in diesem Augenblick geschieht das Magische: Die Zeit bleibt stehen. Mein Denken ist vollkommen still. Es tritt etwas in mein Feld, was ich sonst mit mir nicht erlebe, auch wenn ich mit mir selbst glücklich verbunden bin. Es ist so, als wenn sich eine Tür öffnet, die in der Zeit mit mir selbst verschlossen ist. Und das, was ich nun spüre in mir selbst, ist wundersam, ist magisch, ist höchst glücklich. Das ganze Leben wird plötzlich magisch. Irgendetwas erfasst mich, was ich nicht aus mir selbst heraus willentlich bewirkt habe.

Vor mir räuspert sich eine Frau. Ich wende den Kopf zu ihr und erkenne die Tänzerin, die eben noch auf der Bühne getanzt hat. Die Tänzerin schaut belustigt zu mir, zu der Frau neben mir, wieder zu mir und fragt: «Gehört ihr beide zusammen?» Ich wende den Kopf zu der Frau neben mir, schaue ihr in die Augen, mein Mund öffnet sich und das erste Wort, das ich zu dieser Frau sage, ist: «Ja.»

In diesen Augenblicken hat das Leben ein magisches Band um mich und diesen anderen Menschen gelegt. Ich bin verliebt. Es ist, als wenn eine innere Kraft nicht erfasst, die vorher nicht da gewesen ist. Ich bin gewandelt. Ich bin mutiger, ich tue und sage Dinge, die ich mir zuvor nicht zugetraut hätte. Ich habe viel mehr Lebensenergie. Die Frau legt mir einige Prüfungen auf. In dieser Zeit würde ich für sie gegen eine Armee aus hundert Dämonen antreten. Aus einer inneren Kraft heraus, weil ich genau weiß, dass die Liebe und das Licht die stärkste Kraft im Universum ist. Und dass alles Schattenhafte keine Existenz aus selbst daraus hat, sondern nur die Abwesenheit von Liebe ist. Gegen einige Dämonen muss ich wirklich kämpfen, nämlich gegen die eigenen in dieser Zeit.

Ich bestehe die Prüfungen und eines Tages steht die Frau vor mir, blickt mich liebevoll an und reicht mir ihre Hand entgegen. Ich öffne meine Hand und halte sie neben ihre. Sie legt die Hand in meine, wir berühren uns und werden ein Paar.

In all der Zeit ist bereits das magische Band der Liebe um uns beide. Es ist so, dass dieses wahr und wirksam ist, denn wenn das Leben selbst ein Band um zwei Menschen legt, dann verbinden sich zwei innere Welten. Vorher schon hatte ich eine innere Welt, die licht war, wenn ich mich mit dem Gewahrsein verbinde, wenn ich mein Herz offen halte. Das Licht war weiß und doch war es nur meine eigene Sonne, die in meiner inneren Welt geschienen hat. Nun, da das Band mich verbindet, ist es so, als wenn sich zwei Welten verbinden, als wenn auch ihre Sonne in meine Welt scheint. Mein inneres Licht ist nun anders, es ist viel weicher, es wie goldener.

Das Band der Liebe hält an und bringt einige Emotionen hervor, weil die Liebe so eine starke Kraft ist. Viele sagen, dass Verliebtheit eine Emotion ist, doch das ist nicht wahr. Es ist so, dass das Band der Liebe viele Emotionen hervorbringt, die es anzuschauen gilt in der Zeit der Verbundenheit.

Das Band der Liebe hält an und eines Tages nimmt das Leben es auch wieder von beiden. Auch das gilt es einzugestehen.

Liebe ist zweierlei zugleich: Sie ist das eigene offene Herz und sie ist das Band der Liebe, das das Leben mitunter um zwei Menschen liegt. Beides ist voneinander unabhängig, denn ich kann mit offenem Herzen leben, auch ohne eine Liebesbeziehung zu haben. Zugleich kann ich eine Liebesbeziehung erleben, über das Band verbunden sein, und trotzdem engt und weitet sich mein Herz immer wieder.

Es ist das einzige Wort, das ich kenne, das im inneren Erleben zwei Bedeutungen hat. Und doch sind sie wohl im Inneren miteinander verbunden. Diejenigen, die damals unsere Sprache erschaffen haben, haben das wohl absichtlich gemacht. Denn wir werden wohl nur dann ganz werden, wenn wir das Männliche und Weibliche in uns vereinen.

PS: Verliebtheit ist dann eine Emotion, wenn sie eine rein gedankliche Schwärmerei ist, wenn kein wahrer Kontakt zwischen dem Schwärmer und dem ersehnten Menschen stattgefunden hat. In diesem Fall gibt es kein energetisches Band zwischen beiden.

PS 2: Wer feinsinnig erlebt, nimmt wahr, dass das Band der Liebe wahr und wirksam ist. Über das Band sind beide Seelen verbunden und nehmen sich auch über Entfernung wahr. Die eine spürt es, wenn der andere bedrückt ist. Er hört es innerlich, wenn sie ihn geistig anruft. Er schickt seinen Geist zu ihr aus, nimmt sie an einem Tisch in einer Besprechung mit mehreren Männern wahr, die auf sie einreden. Er tritt geistig an ihre Seite, verstärkt ihr Feld, bestärkt ihr Wort und gibt ihr Kraft. Abends kommt sie strahlend nach Hause und berichtet, dass sie ihn an ihrer Seite gespürt hat und dass die Besprechung zu ihren Gunsten verlaufen ist.

PS 3: Zwischen zwei über das Band der Liebe verbundenen Menschen gibt es keine Geheimnisse. Sie spürt es in dem Augenblick im eigenen Körper, in dem er eine andere Frau berührt. Eine Mutter spürt es im eigenen Körper, wenn ihr Kind sich verletzt, auch wenn es sich gerade auf der anderen Seite der Erdkugel aufhält.

PS 4: Es ist möglich, dass das Leben das Band der Liebe um zwei Menschen legt, doch die oder der eine lässt sich nicht auf eine Beziehung ein. Das Band ist wahr und wirksam, auch der andere spürt es und sagt: «Du hängst an mir». Und doch ist die Nähe dem einen unangenehm. Auf seelischer Ebene beschenken sich beide in dieser Verbindung oder machen etwas Altes gut, auch wenn die eine nach außen hin abweisend wirken muss.

Aufgenommen in Corcelles BE am 18.8.2019 um 7:55 Uhr