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  Teil 1  

  25.05.2002   letztes update 5.01.2003

 

Wir haben in jedem Moment ein Gefühl. Manchmal nehmen wir es bewusst wahr, ansonsten unbewusst.
Unser Gefühl kann verschiedliche Färbungen annehmen.

Beispiele 1   

  1. Jemand singt, tanzt und lacht.
  2. Jemand sitzt zusammengesunken auf einer einsamen Parkbank, den Kopf in die Hände gestützt. Die Tränen kullern die Wangen herab.
  3. Jemand kommt von der Arbeit, setzt sich noch im Mantel auf das Sofa und starrt vor sich hin. Die Tochter kommt und sagt: "Schön, dass du da bist! Können wir jetzt was zusammen spielen?" Der Jemand sagt ohne aufzugucken: "Lass mich in Ruhe."
  4. Jemand schmeisst das Holzstück in die Ecke und ruft "Verdammt!!" Schon zum dritten Mal hat der stumpfe Bohrer das Bohrloch ausgefranst.
  5. Jemand geht durch die Großstadt, die Schultern hoch- und zusammengezogen. Die Welt und die Mitmenschen erscheinen feindlich und ungemütlich.
  6. Jemand geht durch die Großstadt, sieht viele wunderbare kleine und große Dinge, blickt freundlich die Mitmenschen an und bekommt freundliche Blicke zurück.

Test  Setzen Sie an einen ruhigen und ungestörten Ort.
Lassen Sie Ihre Sinneseindrücke, Gedanken und Willensbekundungen unbehindert an sich vorbeiziehen. Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit ganz auf Ihr Gefühl.
Was empfinden Sie?



1.5.1 Mein Gefühl ist eine Mischung aus den sechs Grundgefühlen: froh, traurig, schlecht, wütend, Angst und Liebe.

Neben diesen sechs Grundgefühlen gibt es keine weiteren.

Anmerkung 1  Alle sonstigen Gemütsregungen wie z. B. Neid, Eifersucht, Ehrgeiz, Ehrfurcht, Staunen, Stolz, Hochmut, Übermut, Überheblichkeit, Groll, Verliebtheit, Verlorenheit, Verlusst, Verbundenheit, Dankbarkeit, Spott, Gleichmut, Gleichgültigkeit, Lust, Isolation, Engstirnigkeit, Verachtung, Selbstverachtung, Selbstmitleid, Mitleid, Selbstachtung, Würde, Respekt, Arroganz, Selbstherrlichkeit, Zweifel, Scham, Rivalität, Ehrgeiz, Eigenliebe, Ärger, Kummer, Hilflosigkeit, Ohnmacht, Allmacht, Entsetzen, Perspektivlosigkeit, Müdigkeit, Gier, Habgier, Einsamkeit, Zorn, Egoismus, usw. sind Emotionen. Eine Emotion ist eine Verknüpfung eines Gefühlsausschlags mit gedanklichen Vorstellungen und oftmals auch einem Willensausschlag.

Unser Fühlen ist ein eigener Bereich des Erlebens, siehe Abbildung 1-2, und enthält keine gedanklichen Vorstellungen oder Willensäußerungen.


Selten erleben wir ein Grundgefühl in reiner Form. In den allermeisten Momenten zeigt unser Gefühl eine Mischung aus den sechs Grundgefühlen, wobei jedes Grundgefühl unterschiedlich stark in die Mischung eingehen kann. Hierdurch entstehen unsere vielen unterschiedlichen Gefühlsfärbungen.

Die Personen aus Beispiel 1 empfinden jeweils überwiegend ein Grundgefühl. Die folgenden Beispielpersonen empfinden gemischte Gefühle.

Beispiele 2   

  1. Jemand singt und tanzt. Gleichzeitig laufen ihm oder ihr Tränen über das Gesicht. Eine große Anspannung scheint sich endlich aufzulösen.
  2. Jemand sitzt zusammengesunken auf einer einsamen Parkbank, den Kopf in die Hände gestützt. Die Tränen kullern die Wangen herab. Sie oder er fühlt sich leer, das Leben erscheint sinnlos und ermüdend zu sein.
  3. Jemand kommt von der Arbeit, setzt sich noch im Mantel auf das Sofa und starrt vor sich hin. Die Tochter kommt und sagt: "Schön, dass du da bist! Können wir jetzt was zusammen spielen?" Der Jemand sagt ohne aufzugucken: "Lass mich in Ruhe." Die Tochter weicht nicht von der Stelle. Mit scharfer Stimme und Blick fügt der Jemand hinzu: "Du siehst doch, dass ich keine Lust habe!!"
  4. Jemand wirft das ausgefranste Holzstück in die Ecke. Sie oder er nimmt ein neues Holzstück, befestigt dieses extra stark auf der Werkbank und hält die Bohrmaschine mit dem stumpfen Bohrer nun fester und entschlossener als zuvor. Diesmal klappt es.
  5. Jemand geht durch die Großstadt, die Schultern hoch- und zusammengezogen. Die Welt und die Mitmenschen erscheinen feindlich und ungemütlich. Wenn ein Mitmensch einen Blick zuwirft, zieht der Jemand die Augenbrauen zusammen und blickt angriffslustig zurück.
  6. Jemand geht durch die Großstadt, sieht viele wunderbare kleine und große Dinge, blickt freundlich die Mitmenschen an und bekommt freundliche Blicke zurück. Er oder sie erkennt den strahlenden Kern in allen Menschen, empfindet aber auch Mitleid für all die Mühen, die das Leben den Menschen auferlegt.

Die vier Grundgefühle froh, traurig, schlecht und wütend

Diese vier Grundgefühle bilden ein Feld, welches den Bewegungsraum unserer alltäglichen Gefühle symbolisiert. Unser jeweils aktueller Gefühlsausschlag ist ein Punkt auf diesem Feld.

Gefühlsfeld

Abb. 1-4:  Das Gefühlsfeld, aufgespannt von den vier Grundgefühlen froh, traurig, schlecht und wütend
und aktueller Gefühlsausschlag (Beispiel)


In der Abbildung ist der aktuelle Gefühlsausschlag (grüner Smiley) froh und ein klein wenig traurig, ähnlich wie in Beispiel 2.1.

Im rechten unteren Viertel des Gefühlsfeldes ist unsere aktuelle Gefühlsfärbung eine Mischung aus traurig und schlecht, siehe auch Beispiel 2.2, im unteren linken Viertel eine Mischung aus wütend und schlecht, siehe auch Beispiel 2.3 und im oberen linken Viertel eine Mischung aus wütend und froh, siehe auch Beispiel 2.4.

Eine Position weiter weg von der Mitte bedeutet einen stärkeren Ausschlag eines oder zweier Grundgefühle.

In der Mitte des Feldes erleben wir unser Gefühl als ausgeglichen bezogen auf die vier Grundgefühle froh, traurig, schlecht und wütend.


Wenn wir froh sind, fühlen wir uns leicht, unbeschwert und offen für die vielen Möglichkeiten des Lebens.

Wenn wir uns schlecht fühlen, sind wir bedrückt, schwermütig, trübsinnnig, niedergeschlagen. Wir sehen kaum Möglichkeiten und Auswege. Unser Leben erscheint uns leer und sinnlos.

Die Grundgefühle froh und schlecht sind zwei gegenteilige Gefühlsausschläge. Wenn wir froh sind, können wir uns nicht schlecht fühlen. Wenn wir uns schlecht fühlen, können wir nicht gleichzeitig Freude erleben.

Die beiden Grundgefühle froh und schlecht bilden unsere Stimmung.


1.5.2 Meine Stimmung kann in zwei Richtungen ausschlagen: froh oder schlecht.


Wir haben in jedem Moment eindeutig eine Stimmung auf der Skala froh <-> schlecht. In manchen Momenten nehmen wir unsere Stimmung bewusst wahr, in den anderen unbewusst.



Wenn wir wütend sind, spüren wir den Impuls, etwas zu tun und zu verändern. Wut geht einher mit Anspannung, Verfestigung, Aus-sich-herausgehen und ist damit säureähnlich. Wir sagen: "Ich bin sauer". Wenn wir wütend sind, haben wir zumeist einen starken Willensausschlag.

Unsere Wut ist unabhängig vom Stimmungsausschlag und damit nicht festgelegt auf eine frohe oder schlechte Stimmung. Wir können tatkräftige, lösungsorientierte Wut erleben, wie in Beispiel 2.4. Wir sind wütend und doch positiver Stimmung, denn wir wissen, dass unsere Wut gerechtfertigt ist und sie uns und andere ein Stück weiter bringen wird. Wir zeigen unsere Wut und es ist wie ein frischer Wind, der durch verstaubte Räume weht.
Wut in Verbindung mit schlechter Stimmung erleben wir als Zorn oder in Verbindung mit Angst als Hass. Dieses Gefühlsgemisch ist bedrückend. Der Impuls zu agieren treibt uns doch sehen wir keinen Weg. Wir haben Sorgen, dass mit einem Ausbruch unserer Wut die Dinge eher noch schlechter für uns oder andere werden könnten.

Wenn wir traurig sind, werden wir weich und ziehen uns in unser Inneres zurück. Wir sind passiv, ohne konkretes Vorhaben. Der Charakter von Traurigkeit ist auflösend und damit basisch. Wir sagen: "Ich bin in Tränen aufgelöst".

Auch die Traurigkeit ist ein von unserer Stimmung unabhängiges Grundgefühl. Wir erleben reinigende, erleichternde Traurigkeit, bei der wir spüren, dass endlich ein Knoten geplatz ist. Die Tränen kullern unsere Wangen herab und wir wissen gleichzeitig dass alles gut werden wird.
Wenn wir uns traurig und schlecht zugleich fühlen, sind wir melancholisch. Unsere Traurigkeit steckt schwer wie ein Kloß in unserer Kehle oder liegt uns auf dem Herzen. Wir sind ohne Hoffnung, dass sich für uns etwas bewegen wird. Das Leben scheint ein Trauerspiel zu sein.


1.5.3 Meine Wut und Traurigkeit sind von meiner Stimmung unabhängig.

Offener Punkt   Unsere Wut und Traurigkeit sind vom Charakter her gegenteilig. Dennoch können wir gleichzeitig wütend und traurig sein. Ist das so?!



Wenn wir Liebe empfinden, erscheinen uns die anderen Gefühle klein, wie überhaupt vieles, über das wir uns noch zuvor Sorgen gemacht haben. Die Liebe umfängt uns wie ein goldenes Band. Wenn wir lieben empfinden wir eine wundersame Verbundenheit zu allen uns umgebenden Dingen und Menschen. Wir fühlen uns eins mit unserer Umwelt, unseren Gedanken und unserem Willen. Unser Leben ist wie ein Fluss, wir sind frei und aus dem Kreis der Notwendigkeit herausgetreten. Wir sehen und empfinden unsere Mitmenschen als wundervolle Wesen, die ebenfalls voller Liebe auf diesem Planeten ihre Aufgaben erfüllen und fühlen uns mit ihnen in Dankbarkeit, Freude und Respekt verbunden.

Viele sprechen das Wort 'Liebe' aus und empfinden dabei andere Grundgefühle.

Beispiele 3   

  • "Ich liebe dich so sehr. Ich könnte es nicht ertragen, wenn dir etwas zustößt."
  • "Ich brauche deine Liebe." (immer wieder gesungener Songtext)

Musiktipp  The Police: If you love someone, set them free


Je mehr Angst wir empfinden, desto mehr verlieren die anderen Grundgefühle an Ausdrucksstärke. Die Angst weckt unsere Urinstinkte und wir handeln animalisch aus dem Trieb des Überlebens heraus.

Wenn wir ein wenig Angst oder Liebe empfinden, sind zumeist noch andere Grundgefühle aktiv, siehe Beispiele 2.5 und 2.6.

Liebe und Angst sind ebenfalls gegenteilige Grundgefühle. Wenn wir von Liebe erfüllt sind, sind wir von Angst befreit. Angst ist die Abwesenheit von Liebe.

Liebe und Angst haben eine andere Dimension gegenüber den ersten vier Grundgefühlen und damit gegenüber dem Gefühlsfeld. Wenn wir uns das Gefühlsfeld eben in einem Raum vorstellen, steht die Liebe in diesem Gefühlsraum senkrecht über der Mitte des Feldes. Je höher unser Gefühl über das Feld steigt, desto stärker empfinden wir Liebe. Wir sagen: "Die Liebe ist das höchste aller Gefühle".
Die Angst steht sich senkrecht unter dem Feld. Je tiefer unser Gefühl sinkt, desto mehr Angst haben wir.

Unser Gefühl ist damit wie ein Würfel mit den Seiten: 1=Angst, 2=traurig, 3=froh, 4=schlecht, 5=wütend, 6=Liebe.
Meistens zeigt unser Gefühl überwiegt eines der sechs Grundgefühle, so wie beim Würfeln zumeist eine Seite oben liegt. Wir sehen jedoch auch noch die eine oder zwei uns zugewandten Seiten des Würfels. Auch diese Grundgefühle sind im Moment aktiv, wenn auch nicht so stark wie das überwiegende, oben liegende Grundgefühl.


In alle sechs Richtungen des möglichen Gefühlsausschlags sind feine Abstufungen möglich, damit sind in Abb. 1-4 zwischen den ganzzahligen Werten auch alle Kommawerte möglich. In allen Richtungen ist die Gefühlsstärke unbegrenzt möglich.

Beispiel 4  Jemand denkt: "Ich bin so verzweifelt. Schlimmer geht es nicht mehr". Daraufhin trifft sie oder er jemanden, der oder die in einer noch doppelt so verzweifelten Lage steckt.

Beispiel 5  Jemand erlebt einen Moment, in dem sie oder er glücklicher ist als je zuvor. Einige Monate oder Jahre später erlebt sie oder er Momente, in denen er oder sie noch glücklicher ist.


Je kräftiger ein oder mehrere Grundgefühle ausschlagen, je weiter außen unser aktuelles Gefühl auf dem Feld oder im Gefühlsraum steht, desto stärker ist in diesem Moment unser gesamtes Gefühl. In der Mitte ist es ausgeglichen und ohne Kraft.


1.5.4 Mein Gefühl ist eine mir innewohnende Kraft.

Unser Gefühl hat eine Stärke und ist gerichtet. Von daher ist es eine Kraft.




Literaturtipp  Pollock, Maud Norwald: Vom Herzen durch die Hände (Bedingungslose Liebe & Therapeutic Touch, eine neue Metode des Heilens), Verlag Hermann Bauer, Freiburg im Breisgau, 1990; Ein wissenschaftlich geschiebenes, verständliches Buch über viele energetische Phänomene. Maud Norwald Pollock beschreibt und unterscheidet ausführlich die fordernde, emotionale Liebe und die bedingungslose.

Romantipp  Yalom, Irvin D.: Die rote Couch, Wilhelm Goldmann Verlag, München, 1998, Roman; Authentisch, witzig und spannend geschriebene Geschichte mit vielen lebendigen Charaktären rund um das Thema Psychoanalyse. Die ersten vier Grundgefühle (mad, sad, bad, glad) tauchen kurz auf.



Ja! So ist es.
Nein! Ich denke und fühle anders.
Ich will mich nicht entscheiden. Es gibt Für und Wider diese Aussagen.
Diese Aussagen haben für mich keine Bedeutung.
Ich will zu diesen Aussagen keine Stellung beziehen.

Anmerkung:


      
 

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